Arbeitnehmer, die den Arbeitgeber wechseln wollen, stehen oft vor einem Dilemma, da Kündigungsfristen zu beachten sind, der neue Arbeitgeber jedoch meist sofort die vakante Stelle besetzen möchte. Welches sind die Folgen, wenn der wechselwillige Arbeitnehmer die Kündigungsfrist nicht beachtet? Zunächst ist unzweifelhaft ein Vertragsbruch zu konstatieren. Der Arbeitgeber hat in dann Anspruch darauf, dass die vertragliche Arbeitsleistung erbracht wird – allerdings ein stumpfes
Schwert, da eine gerichtliche Entscheidung nicht vollstreckbar ist. Der Arbeitnehmer kann daher zur Arbeitsleistung nicht gezwungen werden. Selbstverständlich entfallen Vergütungsansprüche und es drohen Abmahnung und Kündigung, was den wechselwilligen Arbeitnehmer jedoch in der Regel nicht tangiert.
Folge des Vertragsbruches ist ein Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers, der aber in Praxis kaum realisierbar ist, da schwierig ist, einen konkreten Schaden und die Ursächlichkeit des Vertragsbruchs hierfür zu beweisen. Der Schadensersatzanspruch ist von vornherein begrenzt durch den Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis ohnehin hätte beendet werden können. Haben andere Arbeitnehmer die Arbeit übernommen, sind die diesbezüglichen Lohnaufwendungen zwar ersatzfähiger Schaden, hiervon muss jedoch der für den Vertragsbrüchigen ersparte Lohn wieder abgezogen werden, so dass meist keine Differenz verbleibt. Jedoch sind etwaige Überstundenzuschläge ersatzfähiger Schaden, ebenso die Differenz zwischen dem Entgelt des Vertragsbrüchigen und dem höheren Entgelt einer Ersatzkraft wie auch eine Konventionalstrafe, die der Arbeitgeber infolge des Vertragsbruchs seinerseits zu entrichten hat. Inseratskosten sind kein ersatzfähiger Schaden,
da diese auch bei fristgerechter Beendigung angefallen wären, was auch für Einarbeitungskosten gilt.
Der Schadensersatzanspruch kann wegen Mitverschuldens des Arbeitgebers gemindert oder ausgeschlossen sein, vor allem wenn er den Arbeitnehmer nicht zur Arbeit auffordert und nicht auf die Gefahr eines unverhältnismäßig großen Schadens hinweist. Je früher der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auf die beabsichtigte Nichteinhaltung der Kündigungsfrist
hinweist, desto geringer die Wahrscheinlichkeit von Schadensersatzansprüchen. Insgesamt gesehen, muss der Arbeitnehmer wenig befürchten, wenn er die Kündigungsfrist nicht einhält. Dem Arbeitgeber hilft hier nur eine Vertragsstrafe im Arbeitsvertrag, was jedoch präzise formuliert sein will. Eine für den Arbeitnehmer weit gefährlichere Lage kann sich dann ergeben, wenn er dem Arbeitgeber Konkurrenz macht, was oftmals unbekannt ist. Auch ohne besondere Vereinbarung besteht ein Wettbewerbsverbot (§ 60 HGB). Untersagt sind alle – selbständigen und unselbständigen – Betätigungen, die die Interessen des Arbeitgebers gefährden können. Das Wettbewerbsverbot besteht während der gesamten rechtlichen Dauer
des Arbeitsverhältnisses, also auch dann, wenn der Arbeitnehmer vertragsbrüchig seine Arbeit nicht aufnimmt oder die Kündigungsfrist nicht beachtet. Unerlaubter Wettbewerb berechtigt nicht nur zur außerordentlichen Kündigung, sondern gewährt dem Arbeitgeber einen Unterlassungsanspruch. Aber auch der Schadensersatzanspruch kann einen bedeutenden
Umfang erreichen. Erst kürzlich hat das BAG einem Auszubildenden zur Zahlung von mehreren tausend EUR verurteilt, weil der angehende Versicherungskaufmann „nebenher“ Versicherungen vermittelt hat. Für die entgangenen Abschluss- und Bestandsprovisionen musste gezahlt werden. Anstelle des Schadensersatzes kann auch ein sog. Eintrittsrecht bestehen, wonach der Arbeitnehmer sogar seinen Gewinn herauszugeben hat.
Insgesamt betrachtet, muss der wechselwillige Arbeitnehmer nur wenig befürchten, wenn er die Kündigungsfrist nicht beachtet. Lediglich wenn er dem Arbeitgeber Wettbewerb macht, wie oftmals in der Versicherungs- und Bankenbranche, drohen empfindliche Sanktionen.
Dr. Olaf Meier
Fachanwalt für Arbeitsrecht