Nach einer aktuellen Entscheidung des EuGH (19.01.2010 – C-555/077) stellt die Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, nach der bei der Berechnung der Kündigungsfrist Beschäftigungszeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, nicht berücksichtigt werden, eine unzulässige Altersdiskriminierung dar. Folge ist die Verpflichtung der deutschen Gerichte, die Vorschrift unangewendet zu lassen. Das Verwerfungsmonopol für deutsche Gesetze des Bundesverfassungsgerichts wird damit insofern praktisch abgeschafft.

Vertrauensschutz für Arbeitgeber, die von der Wirksamkeit deutscher Gesetze ausgehen (Wieso sollte man das auch?!), gibt es nicht (LAG Düsseldorf vom 17.02.2010 – 12 Sa 1311/07).

Eine falsch berechnete Kündigungsfrist führt zwar nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung; diese beendet das Arbeitsverhältnis jedoch zu einem späteren Zeitpunkt.

Der Arbeitgeber muss aber den Arbeitnehmer bis zum richtigen Beendigungstermin beschäftigen und – bezahlen!

Hinsichtlich bereits beendeter Arbeitsverhältnisse, die noch vor dem 02.12.2006 gekündigt wurden, hat die Entscheidung keine Auswirkung. Für alle Arbeitsverhältnisse, die danach gekündigt wurden, kann der Arbeitgeber für Verzugslohn haften, sofern keine Ausschlussoder Verjährungsfristen greifen.

Etwaige Tarifverträge, welche auf die gesetzlichen Kündigungsfristen und damit auf § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB verweisen, sind ebenso insoweit unwirksam. Vorsicht ist aufgrund des Urteils auch bei anderen gesetzlichen Vorschriften geboten, etwa bei § 14 Abs. 3 TzBfG, der eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zur Höchstdauer von fünf Jahren bei Arbeitnehmern über 52 erlaubt.

Relevant sind die neuen Kündigungsfristen vor allem bei früheren Auszubildenden, da bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer nach § 622 Abs. 2 BGB ein Berufsausbildungsverhältnis, aus dem der Auszubildende in ein Arbeitsverhältnis übernommen wurde, zu berücksichtigen ist (BAG vom 02.12.1999 – 2 AZR 139/99).

Hat beispielsweise ein am 01.01.1985 geborener Arbeitnehmer am 10.03.2002 eine Lehre begonnen und wurde im Anschluss daran weiterbeschäftigt, so betrug die Kündigungsfrist am 10.03.2010 nach bisheriger Rechtslage, da Zeiten unter dem 25. Lebensjahr nicht zu berücksichtigen waren, vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats und nach neuer Rechtslage drei Monate zum Ende eines Kalendermonats. Der Unterschied ist gewaltig!

Dr. Olaf Meier
Fachanwalt für Arbeitsrecht