„Big Brother“, eine Figur des Romans „1984“ von Georg Orwell, gibt es nicht erst seit dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, welches derzeit in aller Munde ist. Nach diesem Gesetz sind die Telekommunikationsunternehmen verpflichtet, sämtliche Daten für sechs Monate zu speichern. Den Verfolgungsbehörden ist es daher möglich, jedes Gespräch, jede SMS sowie jeden Standort eines Mobiltelefons genau nachzuvollziehen. Auch Arbeitgeber haben die Möglichkeit der Kontrolle längst erkannt und setzen auch wegen der geringen Kosten zunehmend Ortungssysteme ein. Gerade Mitarbeiter im Außendienst, Kundendienstmitarbeiter sowie Kraftfahrer können mit einer entsprechenden Technologie kontrolliert werden. Hierbei bieten sich zwei Verfahren an.
Auch ohne speziellen GPS-Empfänger ist eine Ortung von Mobiltelefonen möglich, indem zunächst die Funkzelle bestimmt wird, in der sich das Mobiltelefon aktuell eingebucht hat. Je nach Dichte der Funkzellen kann eine Positionsbestimmung mit einer Genauigkeit von etwa 100 Metern erreicht werden (GSM-Ortung). Der größte Vorteil der GSM-Ortung liegt darin begründet, dass diese mit jedem Mobilfunkgerät möglich ist und keine weiteren Hilfsmittel erforderlich sind. Einzige Voraussetzung ist die Freischaltung des Gerätes für die Standortbestimmung. Die Umsetzung hängt vom Anbieter ab. Teilweise genügt die Übersendung einer einmaligen SMS zur Freischaltung. Andere Anbieter informieren den Betroffenen bei jeder Standortbestimmung per SMS oder verlangen unmittelbar zuvor eine jeweilige Einwilligung.
Wesentlich genauer ist die GPS-Ortung. Hierbei wird ein zusätzlicher GPS-Sender im oder am Fahrzeug, wenig größer als eine Zigarettenschachtel, installiert. Mit Hilfe dieser Ortung kann die Position des Fahrzeuges genau bestimmt werden. Der Sender funktioniert ähnlich wie ein Navigationsgerät. In Echtzeit ist es möglich, dass der Arbeitgeber online Bewegungen des Arbeitnehmers nachverfolgt, d.h. den Ort, die Straße und eventuell die Hausnummer, Ankunftund Abfahrtszeiten, die momentane Geschwindigkeit und die zurückgelegte Wegstrecke. Teilweise ist es sogar möglich, zu bestimmen, ob die Fahrtür geöffnet wurde.
Es ist rechtlich umstritten, ob eine derartige Überwachung zulässig ist. Für die Handy-Ortung sieht § 98 TKG vor, dass der Nutzer informiert werden muss. Die GPS-Systeme fallen unter § 6c BDSG, sofern die Standortdaten einer bestimmten natürlichen Person zugeordnet werden können. Hiernach sind dem Arbeitgeber bestimmt Informationspflichten vorgeschrieben. Zudem bedarf es der Einwilligung des Arbeitnehmers oder eines bestimmten Erlaubnistatbestandes.
Letztlich läuft – wie so vieles im Recht – auf eine Interessenabwägung hinaus. Auf der einen Seite steht das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, nicht stets und ständig überwacht zu werden. Auf der anderen Seite sind die legitimen Interessen des Arbeitgebers zu berücksichtigen, Beginn und Ende der Arbeitszeit am jeweiligen Arbeitsort überwachen sowie Verwaltungsaufwand mindern zu können.
Einigkeit besteht zumindest dahingehend, dass eine Ortung außerhalb der Arbeitszeit im privaten Bereich unzulässig ist.
Bei der offen gelegten Ortung während der Arbeitszeit greifen einige in der Fachliteratur auf Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Videoüberwachung zurück. Hiernach ist diese zulässig, solange sie einen legitimem Zweck verfolgt, die Mitarbeiter nicht nur schikanieren oder – 2 – unter Beobachtungsdruck setzen soll und die Maßnahme verhältnismäßig ist (BAG vom 14.12.2004 – 1 ABR 34/03); zum Beispiel Diebstahlschutz im Einzelhandel.
Die heimliche Ortung ist dagegen nur zulässig, wenn ein konkreter Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht. Vage Vermutungen oder ein pauschaler Verdacht reichen nicht. Fernerhin dürfen nicht weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgegeben sein und die Ortung darf nicht insgesamt unverhältnismäßig sein (vgl. BAG vom 27.03.2003 – 2 AZR 51/02). Zum Beispiel hat das LAG Baden-Württemberg entschieden, dass eine heimliche GPS-Ortung zulässig ist, um den Arbeitnehmer eines Spesenbetruges zu überführen (5 SA 59/00).
Missachtet der Arbeitgeber die vorstehenden – zugegeben schwammigen – Vorrausetzungen, kann es teuer werden, da ein Verstoß gegen das BDSG bußgeldbewehrt ist, wie der Fall eines bekannten Discounters derzeit zeigt. Außerdem macht sich der Arbeitgeber schadenersatzpflichtig gegenüber dem Arbeitnehmer.
Die zum 01.9.2009 erfolgten gesetzlichen Neuerungen (§§ 3a, 32 BDSG) haben an dem dargestellten Ergebnis nicht geändert.
Angesichts der technischen Entwicklungen ist „1984“ leider keine Fiktion mehr, so dass die Hoffnungen auf dem angestrebten „Arbeitnehmerdatenschutzgesetz“ ruhen.
Dr. Olaf Meier
Fachanwalt für Arbeitsrecht